Chronisches Porzellanfräulein
Du, mein kleiner Pulsschlag. Ich spüre dich so bei mir und du gibst mir Kraft zum atmen und zum aufstehen. Kleiner Tonfall von dem ich manchmal nichts verstehe, weil wir andere Sprachen sprechen, wir uns aber trotzdem connecten.
Und doch ist es beinahe jeden Tag eine krasse Herausforderung, welcher ich noch nicht in jeder Situation gewachsen bin, weil es ein Prozess ist, der sich entwickeln muss. Ich bin heftigst immungeschwächt, habe drei chronische Krankheiten, und einen Grad der Behinderung von 50 Prozent. Ich bin 27 Jahre jung und fühle mich des Öfteren wie eine 80 Jährige Omi. Mir fällt es ab und zu schwer irgendwo richtig anzuecken, weil ich eben weiß, dass ich all das, was gesunde Menschen in meinem Alter machen, nicht unbedingt immer machen kann. Und so ist es nicht nur das körperliche, was einschränkt, sondern auch das daraus resultierende. Ich bin öfters krankgeschrieben, weil auch in Remissonsphasen, also sogenannte beschwerdefreien Phasen (damit ist gemeint, dass man keine blutigen Durchfälle hat), trotzdem oft Schmerzen habe. Das geht einher mit krassen Bauchkrämpfen, Verstopfungen, Gelenkschmerzen, anderen Entzündungen an Schleimhäuten oder einfach enormer Fatigue. Egal wie sehr ich kopfmäßig all das machen möchte, also am Sozialleben teilhaben, am Arbeitsleben teilhabe, Sport machen möchte und so weiter... manchmal gehts einfach nicht. Und dann ist da diese Stimme im Kopf, die dir auch noch sagt "Du musst doch mehr machen... du kannst doch nicht andauernd krank sein.... du wirst bestimmt gekündigt...!" All das sind Ängste, die mich belasten, weil niemand verstehen kann, wie man sich fühlt, wenn man solche Krankheiten hat. Überall muss man sich gefühlt für etwas rechtfertigen, wofür man doch eigentlich nichts kann. Alarm im Darm... die Krankheit verläuft in Schüben, doch lass ich mir meine Stimmung davon nicht trüben. Auf der Arbeit oder in der Schule bin ich gut vernetzt, denn ich bin diejenige, die oftmals das Klo besetzt. Das mag lustig klingen und erscheinen, doch viel zu oft muss ich darüber weinen.
Trotzdem kann und will ich sagen, dass mir diese Krankheit einen Lebenswandel beschert hat. Ich bin dabei ganz klare Linien zu fahren, trotz der ganzen Schwierigkeiten und Beeinträchtigungen... vielleicht aber genau deshalb, weil ich weiß, wie schön es ist, Zeiten zu haben, in denen ich beschwerdefrei bin. Ich lerne auf meinen Körper zu hören. Lerne mich, also meinen Geist, mit der Außenwelt richtig zu verknüpfen. Authentisch zu verknüpfen.
Ich kann nur jedem oder jeder, die ansatzweise gleiche Gegebenheiten hat, empfehlen, Akzeptanz und Annahme großschreiben zu lernen.
Ihr seid wunderbar, so wie ihr seid. Ihr habt tolle Fähigkeiten, lernt einen ausgeprägten Kohärenzsinn zu entwickeln und wisst dass ihr stark seid. Denn wenn ihr nicht stark wärt, dann hättet ihr diese ganzen Krankheitsschübe nicht überlebt. Wir sind lösungsorientiert und dynamisch.
Wir wollen leben und das mehr als denn je, oder?
